Rechenzentren gehören in Deutschland zu den am schnellsten wachsenden, energieintensiven Ansiedlungstrends. Sie sind eine zentrale Voraussetzung für die fortschreitende Digitalisierung von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Besonders der zunehmende Einsatz von Künstlicher Intelligenz erfordert immer größere Kapazitäten. Dadurch stehen Kommunen zunehmend vor der Herausforderung, Anfragen zur Ansiedlung von Rechenzentren auf ihren Gewerbeflächen zu bewerten: Lohnt sich die Ansiedlung für die Region – oder überwiegen die Nachteile?
Seit 2010 hat sich die installierte Kapazität von Rechenzentren in Deutschland von 1.140 MW auf 2.730 MW mehr als verdoppelt. Eine Studie im Auftrag des BMWK geht davon aus, dass diese Zahl weiter deutlich steigen wird. Dies ist vor allem der zunehmenden Digitalisierung der Wirtschaft und der verstärkten Nutzung von KI geschuldet. Die Verfügbarkeit von Rechenzentren wird sich langfristig international als Standortvorteil etablieren. Bis 2030 wird eine Leistung von 4.850 MW erwartet, bis 2045 sogar mehr als 10.000 MW.1
Obwohl Deutschland aufgrund seiner zentralen Lage, der politischen Stabilität, der zuverlässigen Stromversorgung und der Nähe zu einem der weltweit größten Internetknotenpunkte in Europa führend ist, liegt es im internationalen Vergleich bisher hinter China und den USA zurück. Vor diesem Hintergrund erhalten Kommunen zunehmend Anfragen von Rechenzentrumsbetreibern für Gewerbeflächen.1
Die Ansiedlung von Rechenzentren ist mit großen Hoffnungen für die Kommunen verbunden. Sie sollen zur Diversifizierung der lokalen Wirtschaft beitragen und Standorte zukunftssicher machen. Dabei sind die hohen Investitionen für Bau und Betrieb von Rechenzentren auf den ersten Blick häufig ein wichtiger Faktor für kommunale EntscheidungsträgerInnen. Ein Beispiel ist das Microsoft-Hyperscaler-Rechenzentrum in Bergheim im Rheinischen Revier, das mit einer Investition von 3,2 Milliarden Euro verbunden ist. Ein positiver Nebeneffekt für die Region ist, dass Microsoft auch in diverse Qualifizierungsangebote, wie die KI-Kompetenzbildung für Schüler:innen, investiert.4
Gleichzeitig ist der Flächenbedarf für den Bau nicht zu unterschätzen. Das Rechenzentrum in Bergheim (Rhein-Erft-Kreis) erstreckt sich über 20 Hektar. Während Rechenzentren aufgrund ihrer hohen Energieanforderungen spezifische infrastrukturelle Voraussetzungen benötigen, fallen die direkten Beschäftigungseffekte in der Regel geringer aus als in klassischen Gewerbegebieten. In Bergheim entstehen auf diesen 20 Hektar rund 150 direkte Arbeitsplätze (7,5 pro Hektar), wobei der Fokus bei Rechenzentren stärker auf technologischer Wertschöpfung und digitaler Infrastruktur liegt. Zum Vergleich beherbergt das im Südosten von Kassel gelegene Gewerbegebiet Waldau-West, das in den 1970er Jahren klassisch entwickelt wurde, vor allem Industrie- und Logistikunternehmen und weist eine Arbeitsplatzdichte von 32,6 Arbeitsplätzen pro Hektar auf.3, 8
Bei der Auswahl von Standorten für Rechenzentren spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Die direkten positiven Effekte, etwa in Form von Gewerbesteuereinnahmen und direkter Beschäftigung, werden häufig überschätzt. In Frankfurt am Main verbrauchen Rechenzentren rund 1.600 Gigawattstunden Strom pro Jahr, was etwa 20 % des gesamten Stromverbrauchs der ausmacht. Dennoch tragen sie nur rund 1 % zur Gewerbesteuer bei. Eine Studie des BMWK zeigt, dass ein Arbeitsplatz in einem Rechenzentrum im Durchschnitt 20 weitere Arbeitsplätze bei Managed Service Providern (MSPs) schafft. Diese Zusatzeffekte sind jedoch nicht zwangsläufig regional begrenzt, sodass die neu geschaffenen Arbeitsplätze auch überregional verteilt sein können. 1, 5
Auch aus ökologischer Sicht sind bestimmte Aspekte für die Standortwahl relevant. Um die CO2-Emissionen trotz des hohen Energiebedarfs möglichst gering zu halten, ist eine hohe Verfügbarkeit erneuerbarer Energien essenziell. Zudem sollte die entstehende Abwärme effizient genutzt werden. Das Energieeffizienzgesetz schreibt aktuell eine Wiederverwertungsquote von 10 % vor, die zukünftig weiter erhöht werden soll. Diese Abwärme bietet Potenziale für die kommunale Wärmeplanung und eine Einspeisung in Fernwärmenetze. 2, 1
Die größte Chance für eine Region ergibt sich, wenn das Rechenzentrum nicht isoliert angesiedelt wird, sondern Teil eines digitalen Ökosystems ist. Dazu gehört der Aufbau von IT-Bildungseinrichtungen, IT-Dienstleistern und weiteren Digitalunternehmen in unmittelbarer Nähe, um die wirtschaftlichen Potenziale zu maximieren. Dafür sind jedoch ausreichend Gewerbeflächen und ein durchdachtes Vergabekonzept erforderlich. Das Rheinische Revier dient als Paradebeispiel: Nach der Ankündigung zum Bau des Microsoft-Rechenzentrums wuchs die Nachfrage nach Gewerbeflächen erheblich an und überstieg sogar das vorhandene Angebot. 2, 1, 6
Schnelles Handeln ist für Kommunen und Regionen essenziell, da sich Rechenzentren häufig in der Nähe bestehender Standorte ansiedeln und Investoren oft in mehrere solcher Zentren investieren. Dadurch entwickeln sich bestimmte Regionen wie Frankfurt am Main oder Berlin/Brandenburg zu deutschlandweiten Knotenpunkten. Gleichzeitig ist im Prozess eine frühzeitige und transparente Bürgerbeteiligung wichtig. Im Rheinischen Revier wird aktuellbeispielsweise Widerstand seitens des BUND geäußert, während sich in Hattersheim Bürger:innen übergangen fühlen und Lärm- sowie Abwärmebelastungen befürchten.2, 1, 6, 7
Um die maximale Wirkung durch die Ansiedlung eines Rechenzentrums zu erzielen, beschreibt das Gutachten des BMWK drei notwendige Veredelungsstufen. Bei der ersten handelt es sich um die physische Hülle, also das Gebäude selbst. Bei der zweiten um die physische Infrastruktur, also die Server im Gebäude. Die dritte Veredelungsstufe bietet das meiste Potenzial und sollte bei der Ansiedlung zwingend mitgedacht werden. Hierbei handelt es sich um IT-Dienstleister wie beispielsweise Cloud-Computing-Dienste, die sich gezielt in der Nähe von Rechenzentren ansiedeln, um von schnelleren Verbindungen zu profitieren. Diese Branche verzeichnet momentan ein jährliches Wachstum von 8 %1. Da die Zahl der Rechenzentren in Deutschland weiter steigen wird, haben Kommunen jetzt die Möglichkeit, die richtigen Weichen zu stellen. So schafft schnelles Handeln einen First-Mover-Advantage und trägt zu einer zukunftsfähigen Wirtschaft bei.
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Quellen:
[1] Murzakulova, Zhanat. Stand und Entwicklung des Rechenzentrumsstandorts Deutschland. 29. Januar 2025, www.bmwk.de/Redaktion/DE/Publikationen/Technologie/stand-und-entwicklung-des-rechenzentrumsstandorts-deutschland.html ; letzter Zugriff am 18. März 2025.
[2] hessenschau.de, Frankfurt, Germany. Bau von Rechenzentren sorgt in Hattersheim für Ärger. hessenschau.de, 15. März 2024, www.hessenschau.de/tv-sendung/bau-von-rechenzentren-sorgt-in-hattersheim-fuer-aerger,video-194842.html ; letzter Zugriff am 18. März 2025.
[3] Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen und ländlichen Raum, u. a. Kurzfassung Praxisleitfaden für Kommunen nachhaltige Gewerbegebiete. 2024, hessen.de/sites/wirtschaft.hessen.de/files/2025-01/kurzfassung_praxisleitfaden_nachhaltige_gewerbegebiete.pdf ; letzter Zugriff am 18. März 2025.
[4] Kerstholt, Marion. Von der Kohle zur Künstlichen Intelligenz. Tagesschau, 18. März 2024, www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/microsoft-ki-deutschland-100.html ; letzter Zugriff am 18. März 2025.
[5] Mayer, Ursula. Abwärme von Rechenzentren nutzen: Mehrere Projekte in Frankfurt, Hanau und Hattersheim. hessenschau.de, 20. Juni 2024, www.hessenschau.de/wirtschaft/abwaerme-von-rechenzentren-nutzen-mehrere-projekte-in-frankfurt-hanau-und-hattersheim-v1,abwaerme-rechenzentren-100.html ; letzter Zugriff am 18. März 2025.
[6] Pesch, Stephan. Platznot wegen Microsoft: Digitale Wirtschaft drängt ins Rheinische Revier. Westdeutscher Rundfunk Köln, 24. Mai 2024, www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/neues-gewerbegebiet-bedburg-microsoft-102.html ; r Zugriff am 18. März 2025.
[7] Pesch, Stephan, u. a. Streit um Standort: BUND gegen Microsoft. Westdeutscher Rundfunk Köln, 12. März 2025, www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/BUND-fordert-aenderung-bei-microsoft-rechenzentrum-106.html ; letzter Zugriff am 18. März 2025.[8] Vlaminck, Dennis .Microsoft-Ansiedlung: Bergheim und Bedburg pochen auf Ausgleichsflächen. Kölner Stadt-Anzeiger, 19. April 2024, www.ksta.de/region/rhein-erft/bergheim/microsoft-ansiedlung-bergheim-und-bedburg-pochen-auf-ausgleichsflaechen-778528 ; letzter Zugriff am 18. März 2025.