Sie sind kein Allheilmittel, aber für eine nachhaltige und zukunftsorientierte Logistik unverzichtbar: Warum Mikrodepots immer wichtiger werden und was jetzt getan werden muss, um sie zu realisieren.
Etwas zu kaufen kann so schnell gehen. Wenige Klicks, wenige Sekunden, schon ist die Bestellung im Warenkorb und macht sich im Idealfall kurze Zeit später auf den Weg zum Käufer. Der Onlinehandel in Deutschland boomt wie nie zuvor. Befeuert durch die Coronakrise und den zeitweisen Lockdown ist der Umsatz im Jahr 2020 auf einen absoluten Rekord von deutlich mehr als 80 Milliarden Euro gestiegen. Diese Entwicklung, nicht ausgelöst aber beschleunigt durch das Virus, ist dauerhaft, das Kaufverhalten wird sich nicht wieder grundlegend umkehren. Und bereits für den Zeitraum in drei Jahren gehen Experten im Trendszenario von Umsätzen in Höhe von 120 Milliarden Euro und mehr aus.
Was die Onlinehändler freut, bereitet den Logistikern und vor allem den Stadtverwaltungen zunehmend Sorgen, denn die Infrastruktur ist dem nicht gewachsen. Jahrelang lag der Fokus vor allem auf dem motorisierten Individualverkehr. Doch wenn jetzt die Handelslogistik zunehmend kleinteiliger wird, müssen Städte mehr tun, als vorhandene Strukturen einfach stärker auszubauen. Gefragt sind neue, innovative Lösungen und nachhaltige Konzepte. Und zwar solche, die bereits heute in der Praxis umgesetzt werden können.
Vor diesem Hintergrund fällt den Mikrodepots eine Schlüsselrolle zu. Dabei ist nicht jedes Ladenlokal für ein solches Depot geeignet – denn oft stimmen, beispielsweise bedingt durch Treppen oder verwinkelte Räume, die baulichen Voraussetzungen nicht. Aber dennoch – und das ist das Entscheidende – bieten sich in nahezu jeder Stadt bei einem hinreichend individuellen Vorgehen und agilen Prozessen die Möglichkeiten zur Umsetzung solcher Mikrodepots.
Wo Flächenbedarfe für Wohnen, Freizeit, Industrie, Gewerbe und Logistik in der Vergangenheit mehrheitlich noch strikt getrennt waren, werden sie in Zukunft stärker zusammenwachsen. Die Logistik wird zu einem selbstverständlichen Teil des innerstädtischen Lebens, ohne, dass große Logistikzentren in reinen Wohngebieten entstehen. Sie werden dort verankert, wo sie die Lebensqualität der Bürger nicht beeinträchtigen. Auch aus diesem Grund werden Themen wie Nachtanlieferung und eine leise Logistik immer wichtiger.
Dabei ist es wichtig, einen integrierten Ansatz zu finden, der die Interessen und Bedarfe der innerstädtischen Akteure berücksichtigt bzw. ausgleicht. So können bei richtiger Konfiguration Einzelhändler:innen und Anwohner:innen genauso von einem Mikrodepot profitieren, wie die KEP-Dienstleister und Immobilienteigentümer:innen.
Ziel muss es sein, sogenannte Multi-User-Depots zu etablieren. Hierbei handelt es sich um Mikrodepots, die von mehreren KEP-Dienstleistern als Ausgangspunkt für die Zustellung genutzt werden. Bei einem solchen Betriebsszenario liegt die Prozesshoheit bei den jeweiligen Dienstleistern – die das Depot kooperativ rund um die Uhr nutzen: Nachts, um etwa Lastenräder und E-Fahrzeuge zu laden, morgens zur Anlieferung und Beladung, tagsüber als Zustell-Drehscheibe und abends als Anfahrtspunkt zur Abholung nicht zugestellter Pakete.
Gerade um solche Multi-User-Depots zu realisieren, brauchen Städte ein besonders agiles Vorgehen. Gemeinsam mit allen Akteuren müssen vor dem Betriebsstart Bedarfe und Dimensionierung definiert sowie Angebote und Verfügbarkeiten festgelegt werden – erst dann kann es in die Entwurfsplanung gehen. Diese muss nicht nur die unterschiedlichen Betriebsszenarien und auch die Wirtschaftlichkeit abbilden, sondern auch mögliche – positive wie negative – ökologische Effekt berücksichtigen und einkalkulieren. Das klingt komplex – und doch zeigen zahlreiche aktuelle Praxisbeispiele in unterschiedlichen Städten, dass es erfolgreich funktionieren kann.
Deshalb gilt es jetzt, verstärkt in die Umsetzung zu gehen. Aus Ideen müssen konkrete Projekte werden, aus Pilotprojekten dauerhafte Lösungen. Dafür braucht es nicht nur alle relevanten Akteure wie Städte, Eigentümer und Logistiker an einem Tisch, sondern auch – das hat die Praxis gezeigt – einen Verantwortlichen. Das können in diesem Fall nur die Städte und Gemeinden selbst sein. Sie haben nicht nur die notwendige Neutralität, um den Gestaltungsprozesse zu moderieren und voranzutreiben und alle relevanten Interessen zu berücksichtigen, sondern sie sind auch für die nötigen Rahmenbedingungen verantwortlich. Das betont auch der Bundesverband Paket und Expresslogistik (BIEK) in einem Anfang Juni 2021 erschienenen Positionspapier mit Vorschlägen und Konzepten für eine zukunftsorientierte Paketlogistik. Darin heißt es: „Damit die Paketbranche ihr Potenzial als Innovations-, Wirtschafts- und Jobmotor für Deutschland auch in Zukunft ausschöpfen kann, muss die Politik die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen und einen national und international fairen Wettbewerb unter den Paketdiensten ermöglichen.“ Gemeinsam kann und wird es auf diese Weise gelingen, auf die Herausforderungen, vor denen die innerstädtische Logistik derzeit steht, bereits heute die dringend nötigen Antworten zu finden.
Hier finden Sie unser Handbuch zur Umsetzung von Mikrodepots