Im Webinar “Transformation von Industriestandorten im Strukturwandel” diskutierten wir mit Experten über Herausforderungen und Chancen bei der Entwicklung von Altindustriestandorte und Konversionsflächen. Im folgenden Beitrag fassen wir das praxisnahe Interview mit Karl-Heinz Stauten, Leiter der Sparte Kraftwerke der RWE Power AG zusammen. Er berichtet aus seinem aktuellen Projekt, wie RWE den Altindustriestandort Frechen in eine nachhaltige und zukunftsfähige Wirtschaftsflächen transformiert und den Umsetzungsprozess zielorientiert strukturiert.
Die RWE Power AG ist unmittelbar vom Kohleausstieg betroffen und hat bereits damit begonnen Kraftwerksblöcke sowie die Brikettierung sukzessiv gemäß den gesetzgeberischen Vorgaben stillzulegen . Am 31.12.2022 wird die Brikettierung in Frechen vollständig außer Betrieb genommen – ein Standort mit mehr als 120 Jahren Tradition, aber auch großen Entwicklungspotenzialen. Um den Transformationsprozess aktiv mitzugestalten, beschäftigt sich das Unternehmen mit dem Strukturwandel. Noch während des Betriebes hat man sich gemeinsam mit der Stadt Frechen mit der Zukunft des Standortes auseinandergesetzt und Nachnutzungsoptionen geprüft . Die Anlagen am Standort Frechen können in Zukunft nicht weiter genutzt werden. Für den Standort selbst hat RWE gemeinsam mit agiplan im Einklang mit den Stakeholdern eine Zukunftsvision entwickelt und die Zeit nach dem bisherigen Produktionsbetrieb vorbereitet.
Zu Beginn wurden eine ganzheitliche Betrachtung interner und externer Stakeholder durchgeführt, um alle Beteiligten frühzeitig einzubinden. Dadurch bestand die Möglichkeit bereits in einer frühen Phase einen Blick von außen zu erhalten und gemeinsam mit Kreis, Kommune und Wirtschaftsvertretern ein klares Bild über den bevorstehenden Transformationsprozess zu entwickeln. Eine tiefgehende Standortanalyse brachte Voraussetzungen und Stärken hervor, unter anderem hinsichtlich Infrastruktur wie Straßen- und Gleisanbindungen. Frechen liegt im Speckgürtel der Großstadt Köln, wo das Angebot an Industriestandorten gering und die Nachfrage groß ist. Das Ziel ist weiterhin, hochwertige Industriearbeitsplätze am Standort anzusiedeln. Durch die frühzeitige Stakeholder-Einbindung erhielt RWE bereits in der Anfangsphase eine breite Unterstützung. Vor allem die rechtliche Situation ist eine Herausforderung, um im Bergrecht den Abschlussbetriebsplan und die sich anschließenden Genehmigungen für eine Nachnutzung zu erhalten und die erforderliche Bauleitplanung vorzubereiten.
Da Prognosen nie ganz exakt sind, wurden unterschiedliche Visionen entwickelt. Und zwar ausgehend von den Ansätzen der Stadt Frechen, den Bedürfnissen der industriellen Partner und mit Blick auf die aktuelle Nachfrage nach Industriestandorten, aber auch mit Blick auf das Thema Nachhaltigkeit. Dafür hat sich RWE mit verschiedenen Kriterien auseinandergesetzt und einen Zielrahmen gebildet, der vor allem die Stärken des Standortes berücksichtigt. Gerade die frühzeitige Einbindung einer professionellen Marktsicht ist für Transformationsprozesse und für die Ableitung einer entsprechenden Standortplanung besonders wichtig.
Hr. Stauten: Es ist entscheidend, zu welchem Zeitpunkt begonnen wird, sich mit dem Thema Nachnutzung zu beschäftigen. Ideal ist es, sich bereits Gedanken zur Nachnutzung zu machen, während eine Anlage noch in Betrieb ist. Darüber hinaus ist es wichtig, dass mit allen Stakeholdern gemeinsam und von Anfang an frühzeitig gesprochen wird – ganz im Sinne einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit. Nach der Ideenfindung können die nächsten Schritte konkretisiert werden. Mit so einer Herangehensweise können erste Teilprojekte bereits binnen ein bis zwei Jahren realisiert werden. Wenn alle Parteien am selben Strang ziehen, sind auch Hürden überwindbar, die zuerst unüberwindbar schienen. Es geht also um ein gemeinsames „Wollen“, sowohl von Seiten des Unternehmens als auch der Kommunen und der Behörden. Dieses „Wollen“ ist die Haupttriebfeder, um so einen Prozess beschleunigen zu können. Ein weiteres Erfolgsrezept ist es in kleineren Schritten zu denken und sukzessive auch Teilflächen in eine Nachnutzung zu überführen. Und es ist durchaus möglich Prozesse parallel anzuschieben, um Zeit zu gewinnen. Gleichzeitig ist es wichtig zu wissen, welche Nutzungen nicht erwünscht oder sinnvoll ist, da sie die weitere Entwicklung hemmen könnte. Unter diesen Aspekten gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Möglichkeiten, so einen Prozess voranzutreiben.
Hr. Stauten: Es ist entscheidend, diese Fragestellung frühzeitig zu berücksichtigen und artenschutzrechtliche Gutachten von Anfang an einzubeziehen. Und zwar unabhängig davon, ob manche Regelungen nur für bestimmte Teilbereiche gelten.
Hr. Stauten: Es ist zwingend erforderlich, die Rahmenbedingungen der Behörden, die sich um solche Genehmigungsverfahren kümmern, genau zu kennen. Es ist aber genauso wichtig, dass diese entsprechend ausgestattet sind, mit der Kompetenz und den nötigen Ressourcen, um solche Verfahrung durchführen zu können. Dabei wären eine behördenübergreifende, engere Zusammenarbeit und eine größere Unterstützung durch die Kommunen wünschenswert. Denn oft sind für verschiedene Verfahren unterschiedliche Behörden zuständig. Diese Abläufe sollten klarer definiert und die Schnittstellen besser verknüpft werden. Was den Gesetzgeber betrifft, besteht Handlungsbedarf vor allem bei den Möglichkeiten des Einspruchs. Die langen Klagewege, die in Deutschland mittlerweile beschritten werden, um Entwicklungen zu stoppen, müssten noch einmal überprüft werden, um Entscheidungen zügiger abschließen zu können. Denn lange Verfahren verschrecken Investoren, die mit der Frage leben müssen, ob das Vorhaben durchgeführt werden kann oder nicht. Eine Lösung hierfür wären gefixte Genehmigungsverfahren, die anschließend nicht mehr beklagt werden können.
Hr. Stauten: Grundsätzlich ist im Bergrecht beschrieben, dass die Flächen zurückgebaut und bis 0,5 Meter unter Bodenkante bereinigt und hergerichtet werden müssen, wenn es keine Nutzungsideen gibt oder andere Denkmalschutzgründe dagegensprechen. Daher ist die Frage nach dem Zustand der Übergabe von der jeweiligen Folgenutzung abhängig. Jeder hätte gerne ein „Green Field“, aber das muss nicht immer von Vorteil sein, insbesondere wenn eine Infrastruktur vorhanden ist, die für die Folgenutzung noch weiterverwendet werden kann. Beispiele hierfür sind Straßen, Schienen, Netze und Gebäude. Alles, was weiter genutzt werden kann, beschleunigt zudem die Prozesse. Allerdings ist vor allem der Denkmalschutz oft eine Herausforderung. Dieses Thema sollte daher relativ früh aufgegriffen werden, da sonst schnell Prozessverzögerungen von einigen Jahre entstehen können.